Hund mit Verband in einer Tierarztpraxis

Abenteuer Tierarztbesuch – oder lieber ganz entspannt zum Doc?

Das neue Jahr hat kaum begonnen, da steht bei uns auch schon wieder der erste Besuch beim Tierarzt an. Dank entsprechend gesundheitlich „wenig begabter“ Hunde habe ich im Laufe vieler Jahre unzählige Praxen und Kliniken sowie deren Wartezimmer von innen gesehen. Jedes Mal neu und damit immer wieder interessant sind jedoch die Menschen und ihre Haustiere, die wir im Wartebereich vor der Behandlung antreffen.

(Kein) Spießrutenlaufen zur Anmeldung

Richtig schick und vor allem entspannend finde ich es, wenn man nicht durch den Wartebereich gehen muss, um zur Anmeldung zu gelangen. Denn sonst hat man hier (selbst mit einem eng bei Fuß gehenden Hund) oft schon den ersten ungewollten direkten Kontakt zu anderen Patienten.

Da gibt es den Hundebesitzer, der nicht weiß, wie weit seine Zwei-Meter-Leine reicht – und prompt sagt Waldi (mehr oder weniger freundlich) mal eben „Hallo!“. Oder der offene Wäschekorb mit einem Kaninchen darin steht direkt neben dem ersten Sitzplatz an der Eingangstür. Da wird allein das Betreten der Praxisräume jedes Mal zu einem Abenteuer. Andererseits sorgt das natürlich auch für Ablenkung und jede Menge Abwechslung...

Warum sind die wohl alle hier?

Aber eigentlich mag ich es lieber ruhig und friedlich, während wir warten, bis wir aufgerufen werden. Meine Hunde waren und sind übrigens allesamt derselben Meinung. Denn bisher war ich vergleichsweise selten zu einem harmlosen Routinebesuch dort – im Normalfall bin ich mit einem kranken oder im Genesungsprozess befindlichen Hund in der Tierarztpraxis.

Und bei aller Routine, die ein Hund zwangsläufig durch häufige Tierarztbesuche entwickelt, ist Stress immer noch ein Faktor, der für Unwohlsein sorgen kann. Definitiv gehe ich niemals dorthin, nur um meinem Hund einen neuen Nervenkitzel zu bieten oder damit er neue Kumpels kennenlernen kann.

Der hat die Krätze. Oder doch nur ein Ekzem?

Die vermeintlichen „Kumpels“ sind – wie sich im Gespräch mit deren Besitzern schnell herausstellt – übrigens auch nur selten zum Spaß beim Tierarzt. Da hat der eine schon seit Tagen Durchfall, der andere kratzt sich seit zwei Wochen ganz schlimm und der dritte hat „Rücken“. Die fühlen sich also sicher auch nicht wirklich großartig.

Ob da nur eine Futterunverträglichkeit oder gar eine ansteckende Virusgeschichte, beziehungsweise eine Allergie oder doch Flöhe im Spiel sind, steht zum Zeitpunkt des Zusammentreffens im Wartezimmer noch gar nicht fest. Der Hund mit „Rücken“ leidet aber ganz offensichtlich unter Schmerzen, der will gar niemanden in seiner Nähe haben.

Abstand – darf es etwas mehr sein?

In einem ausreichend großen Wartebereich stellt das eigentlich kein Problem dar: man könnte sich aus dem Weg gehen und Kontakt vermeiden oder verhindern. Wenn einfach jeder sein Tier dicht bei sich behält, wird der Stress für alle Beteiligten geringer. In engen oder überfüllten Wartezimmern gestaltet sich das allerdings schwierig bis unmöglich.

Mein erster Hund hätte sich ziemlich sicher eine Wartehalle in der Größe eines Flugzeughangars gewünscht, um einen ihr angenehmen Abstand zu erreichen – also durfte sie im Auto warten. Es wurde dann nur beim Betreten und Verlassen der Praxis ordentlich laut, wenn sie ihrem Stress durch Bellen Luft machte. Manchmal hatten wir auch Glück und es gab ein „Hintertürchen“, durch das wir in die Praxis geschleust wurden. Man muss nur fragen.

Das „Abenteuer Tierarztbesuch“ beginnt schon an der Tür.

Doch selbst, wenn man sich so rücksichtsvoll wie irgend möglich verhält, erinnere ich mich mit Schaudern an Situationen, die nur durch gutes Glück gerade noch einmal glimpflich ausgegangen sind. Brenzlige Begegnungen im Eingangsbereich sind nur der Anfang.

Da werden Katzen frei auf dem Arm und ohne Geschirr in die Praxis getragen, Kaninchen (mit Geschirr) in einem Wartezimmer voller Hunde auf dem Boden abgesetzt, Welpen sagen erst einmal reihum allen Anwesenden „Guten Tag“. Da fragt man sich schon, ob man selbst vielleicht einfach zu pingelig oder gar übervorsichtig ist?

Vorsicht ist die Mutter der Wurfkiste.

Gerade beim Tierarzt kann man gar nicht pingelig und vorsichtig genug sein. Es sei ganz klar gesagt: die meisten Tiere haben Stress beim Tierarzt.

Für manche beginnt das schon mit der Fahrt dorthin (man kennt den Weg… oder hasst Autofahren), andere finden die große Nähe im Wartezimmer gruselig oder nehmen die allgemeine Anspannung wahr und fürchten sich vorsichtshalber gleich mal mit. Dann gibt es noch die Kandidaten, die bereits schmerzhafte Erfahrungen beim Tierarzt gemacht haben und – je nach Temperament – jetzt lieber im Mauseloch verschwinden oder alles kurz und klein hauen würden.

Außerdem trifft man gar nicht so selten auf Patienten, die unter Schmerzen leiden, denen es so richtig dreckig geht, die wirklich schwer krank sind und ihre Ruhe nicht nur haben wollen, sondern auch brauchen. Vorsicht und vor allem Rücksichtnahme sind hier also wirklich geboten.

Halt, der wird nicht gestreichelt!

Da sitzt man mit einem Hund, der eine Nacht mit einer Serie epileptischer Anfälle hinter sich hat und entsprechend fertig ist, beim Tierarzt im Wartezimmer. Herein kommt eine Frau mit einem ungestümen Junghund vorneweg und zwei kleinen Kindern im Schlepptau. Der Hund zieht die Dame auf seiner Suche nach Sozialkontakten einmal quer durchs Wartezimmer, mischt unterwegs gekonnt den Inhalt eines Katzenkorbs auf und will anschließend meinen Hund wie seinen verlorengeglaubten besten Freund begrüßen.

Darauf hingewiesen, dass sie bitte ihren Hund bei sich behalten soll, zieht die Frau diesen erschrocken zurück: „Oh, beißt Ihrer? Dann muss er aber einen Maulkorb tragen!“. Meine Antwort, dass der Hund nicht bissig sei, sondern krank, führt zur nächsten Frage. Diesmal seitens der Kinder: „Dürfen wir den streicheln?!“. Bevor ich etwas sagen kann, antwortet die Mutter: „Aber lieb sein, der hat Aua!“.

Die Anleitung zur Vorsicht wäre ja im Prinzip ein guter Ansatz – aber ich WILL nicht, dass mein kranker Hund als Kuscheltier für fremde Kinder herhalten soll. Nur weil er so schön ruhig am Boden liegt (und sich schlecht fühlt), während der eigene Vierbeiner gerade das gesamte Wartezimmer auf links zieht. Immerhin haben sie gefragt…

Schütze deinen Hund – es tut sonst keiner.

In einem solchen Fall sehe ich mich gezwungen, meinen Hund vor anderen Tieren und auch Menschen in Sicherheit zu bringen – selbst wenn das unter derartigen Umständen recht undiplomatisch und zur Not sehr energisch geschieht. Ein bisschen gesunder Menschenverstand sollte eigentlich ausreichen, um sich die Situation klar vor Augen zu führen: wer in eine (Tier-)Arztpraxis kommt, ist in der Regel nicht zum Zeitvertreib da oder um Fremden gute Gesellschaft zu leisten.

Beim Hausarzt platzt kein Mensch ins Wartezimmer, schreit jedem Anwesenden ein „Hallo!!!“ ins Gesicht und umarmt ihn mit seinem mitgebrachten grippalen Infekt. Und gerade kleinen Kindern kann man recht leicht vermitteln, dass sich jemand (hier: der Hund) gar nicht gut fühlt und in Ruhe gelassen werden soll. Ein schlechtes Gewissen muss deshalb niemand haben.

Wenn der Hund beim Tierarzt „nicht hört“, ist er noch lange nicht taub.

Das schlechte Gewissen – später wird daraus Empörung – packt mich nur dann, wenn ich ungewollt andere Hunde in Schwierigkeiten bringe. Dazu reicht ein (zumindest halbwegs) erzogener Hund im Wartezimmer aus, der muss noch nicht einmal schwer krank sein. Wenn man den eigenen Vierbeiner unter der jeweiligen Sitzgelegenheit „parkt“, damit sich dieser außerhalb der Gefahrenzone befindet, kann das seltsame Gedankengänge bei anderen Patientenbesitzern auslösen.

Zumindest dann, wenn besagter Hund vor Stress lediglich aus der Nase tropft und sich ansonsten still und unauffällig verhält. Ein anerkennendes „Der ist aber gut dressiert!“, kombiniert mit einem derben und gerne auch lauten Anschiss an den eigenen Hund: „Sitz! SITZ! hab ich gesagt!!! Nimm dir mal ein Beispiel an dem da!“, lässt Zweifel in mir aufkommen, ob man tatsächlich immer mit gutem Beispiel vorangehen sollte. Es ist wirklich traurig, dass manche Menschen nicht einmal bemerken, wie aufgeregt ihr Hund beim Tierarzt ist und dann grob werden, weil „der Köter nicht pariert“.

In Angst und Not ist trösten DOCH erlaubt.

Wer einen Hund nicht nur besitzt, sondern auch gern hat oder sogar liebt, der tut so etwas einfach nicht. Es sollte sich inzwischen herumgesprochen haben, dass die Erziehung eines Hundes
1. auf nette Art und Weise möglich ist (Konsequenz durchaus eingeschlossen),
2. nicht in Ausnahmesituationen (wie beim Tierarzt) stattfinden kann und
3. grundsätzliches Verständnis für den Hund und sein Verhalten voraussetzt.

Natürlich habe ich Verständnis dafür, wenn mein Hund sich beim Tierarzt nicht wohl fühlt. Ich sitze beim Zahnarzt auch nicht glücklich und entspannt im Wartezimmer und freue mich darauf, dass ich gleich eine Wurzelbehandlung erleben darf. Deshalb liegt es in meiner Verantwortung, dem Hund diesen Besuch so erträglich wie möglich zu machen. Dazu gehört selbstverständlich auch das Vermitteln von Sicherheit, Schutz und Trost.

Wenn der Aufenthalt im Wartezimmer schon für solche Aufregung sorgt, ist der Hund während der Wartezeit vermutlich im Auto besser aufgehoben. Grundsätzlich immer vorausgesetzt, die Außentemperaturen lassen das zu. Ansonsten gilt: fragen kostet nichts und eine stressfreie Lösung findet sich eigentlich in jeder Tierarztpraxis.

Zum Glückspilz wird man geboren – oder trainiert.

Die echten Glückspilze, die den Tierarzt wirklich nur zum Impfen sehen oder trotz aller Erlebnisse noch immer freudig und freundlich hereinspazieren, sind selten. Aber es gibt viele Möglichkeiten, einem mit weniger Glück gesegneten Hund den Besuch beim Tierarzt wenigstens akzeptabel oder sogar halbwegs angenehm zu gestalten.

Das beginnt idealerweise beim Welpen mit dem „Medical Training“ – und zwar lange bevor der sich das erste Mal ernsthaft verletzt oder eine fiese Ohrenentzündung eingefangen hat. Und auch erwachsene Hunde profitieren ganz enorm von diesen „Tierarzt-Trockenübungen“: Kooperation (selbst in weniger angenehmen Situationen) kann hund lernen.

Für Hundebesitzer ist das gründliche Medical Training und bestenfalls noch ein zusätzlicher Erste-Hilfe-Kurs für Hunde durchaus ebenso bereichernd. Fieber messen, Ohren reinigen oder einen einfachen Verband anlegen sollte wirklich jedem Hundehalter beim eigenen Tier möglich sein.

Positiv denken hilft nicht nur bei der Heilung – auch bei der Behandlung.

An alle Hundebesitzer, die sich häufiger in der Tierarztpraxis wiederfinden, als ihnen (und ihrem Hund) lieb ist: macht das Beste daraus. Das Ganze hat tatsächlich einen sehr kleinen, aber umso wichtigeren positiven Aspekt. Denn gerade aus einem gesundheitlich angeschlagenen Hund kann mit etwas Übung und geschicktem Training ein echter „Tierarztprofi“ werden.

Die Übung kommt zwangsläufig, weil ein Umgehen der Situation nicht möglich ist und für das Training kann man sich zur Not in einer guten Hundeschule Unterstützung holen. Der Hund muss ja nicht unbedingt fröhlich schwanzwedelnd in die Praxis stürmen – aber freiwillig mitgehen, sich untersuchen und notwendige Behandlungen halbwegs gefasst über sich ergehen lassen, das können die meisten Hunde lernen.

Glückspilztag beim Tierarzt

Nachtrag: Wir hatten übrigens Glück – unser erster (und sicher nicht letzter) Tierarztbesuch im neuen Jahr ging ziemlich entspannt über die Bühne. Eine Bekannte war mit ihrem Hund zufällig ebenfalls dort und außer ihr saßen nur zwei Katzenbesitzer im Wartezimmer. Die Kätzchen saßen in ihren Transportkörben auf der einen Seite des Wartezimmers, wir mit den Hunden auf der anderen.

In der Praxis ging es am späten Nachmittag außergewöhnlich ruhig zu, die Kontrolluntersuchung war Routine und anschließend gab es handvollweise Superleckers von der Tierärztin. So konnten wir also einen weiteren „guten“ Tierarztbesuch auf unserer Liste verbuchen.

An dieser Stelle ein dickes DANKE an alle Tierärzte und Tierärztinnen für ihr Einfühlungsvermögen und ihre Rücksichtnahme bei „schwierigen“ Patienten!