Rückblende: Oktober 2017
Auf einem fröhlichen Pisswetter-Spaziergang im Wald hatte der Dude sein Bällchen zur freien Selbstbespaßung. Das buddelt er gern unter sich, mäuselt es an, wälzt sich damit und gräbt es im lockeren Waldboden ein – so auch heute. Dass in der Erde unter der Buddelstelle mehrere ganz junge Fliegenpilze dem Tageslicht entgegensprossen, konnte ich erst sehen, als er seinen Ball schon mitten in den zerspaßten Pilzfragmenten panierte.
Also den Ball einkassiert und auf Pilzreste kontrolliert: nichts gefunden. Ball wieder zurück an den Dude, der sein Spielzeug direkt in der nächsten Schlammpfütze versenkte. Alles prima, dachte ich. Fliegenpilze sind zwar giftig, aber nicht sooo schlimm. Und weder am Hund noch am Ball waren Fliegenpilzreste zu sehen. Dass er tatsächlich nichts davon verschluckt hatte, konnte ich zu diesem Zeitpunkt einfach nur hoffen.
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Böse Überraschung!
Eine halbe Stunde später zuhause angekommen, hatte ich den Dude als Häufchen Elend im Kofferraum sitzen: seine Augen tränten wie Wasserfälle und der Speichel floss in Strömen (das ist wörtlich gemeint!). Er schien benommen und war auch nicht ganz sicher auf den Beinen. Sofort rief ich – jetzt doch reichlich besorgt – beim Tierarzt an. Antwort dort: bitte die Gift-Zentrale anrufen, Fliegenpilzvergiftung beim Hund sei ihnen noch nicht untergekommen. Der Giftnotruf verwies mich mit derselben Begründung wieder zurück an den Tierarzt.
In einer Telefonkonferenz wurde beschlossen, dass als erste Maßnahme Apomorphin (ein Brechmittel) gespritzt werden sollte, um ggf. abgeschluckte Pilzreste aus dem Magen zu holen. Und zwar möglichst sofort. Zu „unserer“ Tierarztpraxis dauert die Fahrt eine ¾ Stunde, also ab zum nächstgelegenen Tierarzt und die Brechmittel-Spritze in den Hund gejagt. Dieser kotzte sich auch prompt und ausgiebig die Seele aus dem Leib (das sieht zwar schlimm aus, ist aber genau der gewünschte Effekt). Doch der Dude setzte zeitgleich auch große Mengen wässrigen Durchfall ab. Apomorphin verursacht keine derartige Reaktion: ein weiterer Hinweis auf die Vergiftung.
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Rasches Handeln und eine Portion Glück
Aufgrund des massiven Flüssigkeitsverlustes und mit einem immer noch ziemlich benommenen Hund machten wir uns im Anschluss direkt auf den Weg in unsere Haustierarztpraxis, denn der Dude fror jämmerlich und wirkte sehr elend. Dort angekommen gab es einen Liter angewärmte Infusion und nach einer guten Stunde sowie einem gründlichen Check-Up (Kontrolle Herz, Kreislauf, Atmung, Schleimhäute) durften wir nach Hause. Es war eine unruhige Nacht für mich, weil ich immer wieder nachsehen „musste“, wie es um meinen Hund stand – aber der schlief wie ein Stein.
Am nächsten Morgen (der Venenzugang lag noch) schloss ich ihm eine zweite Infusion an und er schlief seinen offensichtlichen Rausch noch den ganzen Tag aus. Ich hoffe, er hatte keinen allzu schlechten „Trip“, denn die psychogene Wirkung des Fliegenpilzes kann mehrere Tage anhalten. Laut Tierarzt und Gift-Zentrale war sein großes Glück, dass er offenbar nur wenig (wenn überhaupt etwas) vom Pilz verschluckt hatte. Die Giftstoffe des Fliegenpilzes sind allerdings schon bei Kontakt mit der (Maul-)Schleimhaut wirksam. Je nach Gewicht des Hundes und der Menge des aufgenommenen Materials kann das definitiv auch tödlich ausgehen.
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Nicht nur die Menge macht das Gift!
Fliegenpilze enthalten nicht immer dieselbe Giftmenge: das Alter des Pilzes, sein Feuchtigkeitsgehalt, die Witterung/Jahreszeit und die Bodenbeschaffenheit bzw. die Nährstoffumgebung, in welcher der Pilz wächst, beeinflussen die Menge des enthaltenen Giftes. Somit können natürlich auch die Vergiftungssymptome unterschiedlich stark ausfallen. Dem Fliegenpilz selbst ist übrigens weder an der Farbe noch an der Größe anzusehen, wie stark giftig er ist.
Die Schwere einer Vergiftung und vor allem der Ausgang einer solchen sind zudem abhängig vom allgemeinen Gesundheitszustand, dem Körpergewicht bzw. der Größe, dem Alter und eventuell vorliegenden Grunderkrankungen des Hundes. Ein gesunder, großer Hund in der Blüte seines Lebens übersteht das Ganze wahrscheinlich deutlich besser, als ein Welpe, Kleinhund, Senior oder ein Hund, der Medikamente einnimmt.
Mögliche Symptome einer Fliegenpilzvergiftung beim Hund:
- starker Speichel- und Tränenfluss
- Benommenheit
- Erbrechen und/oder Durchfall
- Taumeln, Schwanken, motorische Ausfallerscheinungen
- Verhaltensänderungen (psychogene Wirkung des Fliegenpilzes)
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Glück im Unglück: der Glückspilz.
Die Benommenheit (vermutlich bedingt durch eine Art „Rausch“) sowie der Durchfall waren zum Glück am nächsten Tag vorüber. Und das 2 Wochen später angefertigte Blutbild zur Kontrolle der Leber- und Nierenwerte war erfreulicherweise ohne Befund. Leberschäden können nämlich (auch verspätet) bei einer Fliegenpilzvergiftung durchaus auftreten. Der Dude hat die ganze Aktion ohne Schaden oder Spätfolgen überstanden – er ist also offenbar ein „Glückspilz“...
Der linke Teil des Titelbilds entstand übrigens ziemlich genau zwei Wochen VOR seiner Vergiftung. Ich habe seither nie wieder „Hund posiert mit Fliegenpilz“-Fotos gemacht: die Gefahr, dass der Pilz mal eben kurz angeleckt oder gar als Spielzeug angesehen und aufgenommen wird, ist mir bei meinem Hund einfach zu groß. Es mag Hunde geben, die sich nicht die Bohne für Pilze interessieren – der Dude interessiert sich aber einfach für alles, was ich interessant finde und kommt dann gerne mal eben nachsehen. Leider nicht immer nur mit den Augen und da verzichte ich doch lieber auf das Risiko.
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Bei Verdacht auf eine Pilzvergiftung
Manche Pilzgifte wirken schon bei Schleimhautkontakt – der Hund muss den Pilz also nicht unbedingt verschlucken, um sich zu vergiften!
Wenn man den Hund tatsächlich beim Fressen oder Zerkauen eines Pilzes beobachtet hat (oder der Verdacht besteht, er könnte einen Pilz gefressen haben): Bitte die Tierarztpraxis kontaktieren! Bei bereits vorhandenen Symptomen NICHT abwarten, ob sich diese von allein bessern – rasches Handeln kann hier Leben retten.
Ist der Pilz unbekannt, können ein Foto des Pilzes oder auch mögliche Überreste zur Bestimmung hilfreich sein. Davon hängt ab, ob und wenn ja, wie weiter vorgegangen werden muss. Pilzgifte zeigen verschiedene Wirkungsweisen und Vergiftungen werden entsprechend unterschiedlich behandelt.
Grundsätzliche nie verkehrt: Für Notfälle die Notrufnummern der Haustierarztpraxis und der nächstgelegenen Tierklinik griffbereit haben (und auch im Handy speichern).