Hund starrt auf Illustration eines Kongs

Neben meiner Herzensangelegenheit – der Aufklärung zum Thema "Schmerzen beim Hund erkennen" – gibt es nur eine einzige weitere Sache, die mir genauso wichtig ist und der ich mich seit vielen Jahren nerdig-intensiv widme: Scent Detection – oder früher auch mal altmodisch "Nasenarbeit" genannt. Auf diesem Gebiet tut sich in der Hundewelt in den letzten Jahren so einiges und der Trend geht in eine Richtung, die mir nicht so richtig gefällt.

Was ist Scent Detection und woher kommt es?

Heutzutage ist Scent Detection in aller Munde: Wer etwas auf sich hält und seinen Hund artgerecht auslasten will, macht Scent Detection. Die Angebote reichen vom Online-Kurs für Einsteiger über Wochenendseminare bis hin zur mehre Monate dauernden Ausbildung für einige tausend Euro. Es hat sich ein ähnlicher Hype ergeben, wie ihn Mantrailing vor einiger Zeit erlebte – nur dieses Mal angeheizt durch unzählige Videos auf diversen Social Media-Kanälen. Doch was genau ist eigentlich unter dem Begriff Scent Detection zu verstehen?

Ursprünglich war es ein Aufgabengebiet der Diensthunde von Polizei und Militär: Aufspüren und anzeigen von Rauschgift, explosiven Stoffen oder Leichen. Der Hund wird auf den zu suchenden Geruch konditioniert, kann diesen unter allen anderen Gerüchen herausfiltern und seinen Hundeführer durch ein trainiertes Anzeigeverhalten darauf aufmerksam machen. Inzwischen werden Hunde auf vielen weiteren Gebieten nach demselben Prinzip eingesetzt: Bedrohte oder invasive Tier- und Pflanzenarten, Schimmel, Bettwanzen, Krankheiten u.v.m. – es gibt kaum etwas, das die Hundenase hier nicht leisten kann.

Warum macht Scent Detection Hunde glücklich? 

Unsere Haus- und Familienhunde sind mit demselben grandiosen Geruchssinn ausgestattet, wie ihre professionell arbeitenden Kollegen. Was also liegt näher, als sie an dieser wunderbaren Tätigkeit teilhaben zu lassen? Für mich gibt es keine spannendere Aktivität mit dem Hund, als Nasenarbeit: Es ist die einzige Möglichkeit, bei der mich mein Hund auf einen Ausflug in seine Welt mitnehmen kann. Ein Universum, dessen Regeln wir mit unserem eingeschränkten Geruchssinn nicht einmal ansatzweise nachvollziehen können. Ich stelle dem Hund zwar die Aufgabe und erkläre die Spielregeln, bin dann aber eigentlich nur noch Beobachter – staunend und überwältigt von dem, was er mit seiner Nase leisten kann.

Ich erinnere mich noch gut an das erste Seminar mit dem (heute wenig spannend klingenden) Titel "Geruchsunterscheidung" vor über 15 Jahren. Wir waren eine Handvoll interessierte Hundehalter und lernten an einem Wochenende, dass unsere Hunde innerhalb von 2 Tagen nicht nur zuverlässig Zimt von Schwarztee und Kaffee unterscheiden, sondern diese Substanzen auch problemlos im ölverschmierten Motorsegment eines Baustellenfahrzeugs auffinden können. Bei dieser Aufgabe hatten reaktive Hunde keinen Blick für ihre Artgenossen mehr, die Schüchternen trauten sich richtig was und wir Menschen waren einfach nur völlig begeistert. Es hat mir damals tatsächlich einen ganz neuen Einblick in die Welt des Hundes eröffnet.

Spiel, Spaß und Spannung – oder nicht?

Etliche Jahre und weitere Seminare später durfte ich in eigenen Workshops zum Thema Nasenarbeit genau diese Begeisterung vermitteln, die ich selbst erlebt hatte. Und auch hier gab es so viele wunderbare Momente, in denen Hunde über sich selbst hinauswuchsen, ihre Talente präsentieren durften und eine neue Art der Verbindung mit ihren Menschen eingingen. Die Worte einer Teilnehmerin brachten es auf den Punkt: "Jetzt haben wir etwas, das uns beiden Spaß macht. Und ich kann ihn besser verstehen.". Am ersten Tag war sie mit einem an ihr und der Umwelt völlig desinteressierten, in sich gekehrten Hund angekommen. Am letzten Tag strahlten die beiden sich gegenseitig an und hatten zueinander gefunden.

Diese spielerische Begeisterung, dieses Welten-Entdecken und "mit dem Hund sein", sich an seinen unglaublichen Fähigkeiten zu freuen und ohne Ziel und Zweck einfach Spaß zu haben – das fehlt mir bei dem, was heute unter dem Namen Scent Detection so häufig gezeigt wird. Da wird dem Hund zuerst beigebracht, still und sitzend auf eine rote Kautschukform zu starren. Gern so, dass sich einem schon beim Zusehen die Nackenmuskeln verspannen. Das sei wichtig und müsse deshalb unbedingt die allererste Lektion sein: Das Anzeigeverhalten. Erst wenn dieses bombenfest sitze, dürfe mit einer Suche überhaupt begonnen werden. Und diese dann auch nur angeleitet, systematisch und im vorgegebenen Rahmen.

Wer "spielt" hier mit wem?

Dass ein Sprengstoffspürhund nicht fröhlich durch das Suchgelände hüpfen und seinen Fund nicht begeistert anstupsen darf, versteht sich von selbst. Aber die meisten Leute da draußen wollen Scent Detection zur Bespaßung und Auslastung ihres Hundes betreiben und führen keinen Diensthund! Was soll also das ganze Reglementieren, die strikte Vorgehensweise, das streng durchstrukturierte Training? Damit nehme ich das Heft in die Hand, hemme meinen Hund im Ausprobieren seiner Fähigkeiten und nehme ihm im schlimmsten Fall gleich zu Anfang den Spaß an der Sache. Ein Anzeigeverhalten kann parallel trainiert werden und eine systematische Suche lernt der Hund später auch noch – wenn das denn unbedingt sein muss.

Selbstverständlich ist es sinnvoll, mit einem Trainingsplan zu arbeiten, um Fortschritte und mögliche Fehler im Training zu erkennen und Struktur zu verleihen. Doch ich muss in der Lage sein, das Ganze immer wieder neu anzupassen, auf den jeweiligen Hund (und dessen Tagesform) abzustimmen und auch mal spontan völlig andere Wege gehen können, wenn etwas nicht so läuft, wie geplant. Das klappt nicht, wenn man nach "Methode xy" arbeitet, statt mit dem Hund, der da vor einem steht. Und darum geht es bei Scent Detection doch: Ich bin auf den Hund, dessen Motivation und seine Nasenleistung angewiesen, um ans Ziel zu kommen. Er braucht mich dafür nicht.

Nur der Hund ist Profi.

Also sollte man sich durchaus die Frage stellen: WOZU will ich mit meinem Hund Scent Detection machen? Wenn das dem Ausleben der natürlichen Veranlagung des Hundes dienen soll, orientiere ich mich zuerst an dem, was der Hund mir gibt, nicht umgekehrt. Will ich im bunten Reigen der Reels und Stories auf Social Media mittanzen und dort etwas vorzeigen können? Dann geschieht das auf Kosten des Hundes und nicht zu seinem Vergnügen. Liebäugele ich mit einer Karriere als professionelles Spürhundeteam für mich und meinen Hund? Dann sollte ich unbedingt einmal genauer recherchieren, wie groß die Chancen sind, hier Fuß fassen zu können und auch sehr gründlich prüfen, ob mein Hund wirklich dafür geeignet ist.

Das Thema Scent Detection hat ein weites Feld für "Profis" aller Art eröffnet. Die auf Social Media recht präsente Methode, bei der Hunde auf Kongs starren, ist nur EINE mögliche Herangehensweise an das Training, wird aber intensiv und gut vermarktet. So gut, dass mich kürzlich jemand fragte, ob man das denn nicht auch anders angehen könne, mit dem eigenen Hund würde das irgendwie nicht klappen. Der Einfluss und Hype dieser Methode hat inzwischen offenbar ganz schön Kreise gezogen, wenn die Leute nichts anderes mehr zu sehen bekommen. Eins steht aber fest: Es gibt kein Schema F, nach dem man wirklich jeden Hund ausbilden kann.

Scent Detection ist vielfältig.

Doch nicht nur Hunde (und Menschen) und ihr Weg zu lernen sind individuell – auch die Aufgabenstellung sollte es sein. Manche Hunde lieben die fisselige Detailsuche, andere werden dabei kirre, brauchen Bewegung und große Flächen zum Absuchen. Das Anzeigeverhalten sollte ebenso individuell sein dürfen: Warum muss ich einen Hund für eine sitzende Anzeige trainieren, wenn er es hasst, im nassen Gras zu hocken? Oder im Alter der Rücken zwackt und das Hinsetzen/Aufstehen Probleme macht? Es gibt so viele andere wunderbare Möglichkeiten – wenn man seinen Hund und sein Suchverhalten kennt und lesen kann (und das nicht publikumswirksam vorführen will oder muss), braucht es noch nicht einmal eine künstlich trainierte Anzeige.

Auch der sogenannte Zielgeruch, den mein Hund finden soll, lässt nahezu unendliche Möglichkeiten offen – das muss nicht zwangsläufig ein Stück rot gefärbter Kautschuk sein. Die angeführten Argumente, man könne beliebig große Stücke daraus schneiden, der Geruch sei immer und überall auf der Welt derselbe und man könne ihn als Ersatz für bzw. Vorbereitung auf den "echten" Geruch verwenden, sind wenig relevant, wenn es um die private Bespaßung eines Hundes geht. Warum nicht einfach kreativ sein und Schwarztee, getrocknete Steinpilze, Trüffelöl und andere harmlose (!) Substanzen verwenden? Oder den Hund verlorene Gegenstände suchen lassen? Das ist ein ziemlich nützliches Feature, wenn ein Hund sowas kann.

Scent Detection ist Abenteuer: Komm in meine Welt!

Wir sollten uns bewusst sein, dass es sich bei Scent Detection um das Spezialgebiet unserer Hunde handelt, es ist ihre Domäne. Wenn wir jetzt daherkommen und alles, was damit zu tun hat, reglementieren, verpassen wir das Allerbeste: Die Einladung, einen Blick in ihre Welt werfen zu dürfen. Eine Welt, die wir mit allen möglichen Theorien und Hilfsmitteln bisher weder erklären noch erforschen können. Ohne die Bereitschaft, sich darauf tatsächlich einzulassen, wird Scent Detection einfach nur zu einem weiteren trainierten "Trick". Ich will aber dieses Abenteuer, auf das mich meine Hunde seit vielen Jahren mitnehmen, um nichts in der Welt missen. Es hat unsere Beziehung und meine Sichtweise auf Hunde grundlegend verändert. Und ich weiß, dass es vielen anderen genauso ergangen ist – ganz ohne fixes Regelwerk, ohne rote Kautschukstücke, aber mit Freude am Experimentieren und mit Spielregeln, die dem Hund gerecht werden.