Alltag mit dem alten Hund: Spaß muss sein.

Dieser Artikel ist Rückblick und Aussicht zugleich, denn derzeit bin ich von Hunden mittleren Alters umgeben. Im Freundeskreis gibt es zwar den einen oder anderen Senior-Hund – aber die Caniden in unserem Haushalt sind momentan noch alles andere als ruhig oder pflegebedürftig (die meiste Zeit zumindest). Doch obwohl hier die inzwischen dritte „Generation“ Hunde lebt, kann ich mich noch gut an die Oldie-Zeit mit den Vorgängern erinnern. Vor allem daran, wie sich Bedürfnisse im Laufe eines Hundelebens verändern.

Der Hund als Tempomat.

Auf einer unserer Runden tüddelt bisweilen ein betagter Dackel durchs Bild: von Grasbüschel zu Grasbüschel, die neueste Pinkel-Post studierend und seinerseits kommentierend. Herrchen wartet derweil geduldig, bis der Dackelmann alles gelesen und Grüße hinterlassen hat. Dann geht es zu einem Mauseloch, das gründlich inspiziert werden muss (allerdings nur vom Hund). Der Besitzer hat Zeit und offensichtlich Spaß daran, dem Dackel bei der Arbeit zuzusehen. Die beiden sind in ihrer gemeinsamen Gemütlichkeit ein echtes Dream-Team.

Es bricht mir allerdings das Herz, wenn ich sehe, wie sich ein alter Hund unterwegs abmüht und kaum noch hinterherkommt, weil sein Besitzer das Tempo vorgibt. Keine Zeit für Hunde-Twitter, kein versonnenes Verweilen am Mausloch – es wird marschiert, ohne auf die Bedürfnisse des Oldtimers Rücksicht zu nehmen. Das schmerzt mich schon dann, wenn es Hunde in den besten Jahren betrifft. Aber gerade den Oldies bleibt oft nicht viel mehr, als sich schnüffelnd, guckend oder lauschend in aller Ruhe ihrer Umgebung zu widmen.

Hauptsache: glücklich!

Wenn der Hunde-Opa so viel Spaß am „Zeitunglesen“ hat, muss man sich als Mensch eben Zeit für die Pee-Patrouille nehmen. Abwechslung schadet hier übrigens nicht: auch der Hundesenior freut sich, wenn er ab und an in einer anderen Gegend unterwegs sein und dort neue Nachrichten lesen kann. Dann packt man den Hund halt ins Auto oder in den Fahrradanhänger und fährt hinaus ins Grüne. Oder zu einem anderen Park, in den Wald, an den Bach – was auch immer der Hund gut findet und das Wetter zulässt.

Allerdings kenne und kannte ich bisher keinen alten Hund, der nicht auch noch Freude an anderen Dingen gehabt hätte. Im Rahmen der körperlichen Möglichkeiten und immer auch an die Tagesform angepasst, kann man dem Oldie ganz leicht ein strahlendes Grinsen ins Gesicht zaubern (das sieht auch besser aus, als ein mit hängendem Kopf hinterhertrottender Hund). Man braucht dazu eigentlich nur ein bisschen Zeit, ein paar Ideen und eine Vorstellung davon, woran der eigene Hund wirklich Spaß hat. Denn genau darauf kommt es an.

Flexibel sein beim Glücklichsein.

Es mag für den Mensch schmerzhaft und vielleicht auch traurig sein, dass sein früher erfolgreich im Agility geführter Vierbeiner heute nur noch mit Unterstützung überhaupt ins Auto springen kann. Aber vielleicht hat ebendieser Hund große Freude daran, unterwegs auf dicken Baumstämmen zu balancieren. Oder Leckerchen in einer Wiese zu suchen. Oder auf Signal um einen Baum herumzulaufen, einen Futterbeutel zu apportieren, sein Lieblingsspielzeug zu suchen… Oder eine ganz neue Sache zu lernen.

Hat ein Hund schon sein Leben lang vielfältige Aufgaben kennengelernt, wird ihm das Erlernen neuer Dinge auch im Alter leichter fallen. Unsere Nachbarshündin beispielsweise kann unglaublich viele tolle Tricks – und lernt mit über 13 Jahren immer noch neue dazu. Der Hund eines Bekannten hingegen hatte schon Probleme mit der Tatsache, dass sich Leckerchen nicht immer zwangsläufig auf dem Boden befinden. Der Gute war zwar ein großartiger Fährtenhund mit einigen Pokalen im Schrank, aber auf Nasenhöhe und darüber versteckte Kekse stellten für ihn eine echte Herausforderung dar.

Das Hobby zum Beruf machen.

Die meisten Hunde werden auch im Alter noch viel Freude daran haben, neue Dinge zu lernen. Und die können das auch! Ideal ist aber gerade für Hunde, die sehr spezialisiert trainiert werden, wenn sie bereits in jüngeren Jahren neben ihrem „Hauptjob“ ein weiteres Hobby betreiben können. Es spricht nichts dagegen, dem Agility-Crack beispielsweise das Thema Geruchsunterscheidung nahezubringen. Eine Verwechslung mit seiner Hauptaufgabe ist unwahrscheinlich und er hat damit auch dann noch einen Job, wenn er den körperlichen Anforderungen in seinem bisherigen Sport nicht mehr gewachsen ist.

Es kann dem alten Hund aber auch ein Stück weit Sicherheit geben, wenn er bekannte Aufgaben lösen darf. Hier bieten sich Abwandlungen der körperlich intensiven Sportarten an – zum Beispiel Degility, Mobility oder Hoopers statt Agility. Auch Apportieren lässt sich wunderbar anpassen: wenn die Distanz geringer, der Untergrund griffig sowie nicht allzu uneben ist und das Dummy gegebenenfalls eine Nummer kleiner gewählt wird, hat sicher auch der tüddeligste Retriever noch Spaß an seinem früheren Job. Und bestimmte Sparten aus der Nasenarbeit gehen eigentlich immer – zur Not sogar im Liegen.

Alles Übungssache.

Gerade wenn es um das Kompensieren von Bewegungseinschränkungen geht, leistet man idealer Weise schon früh entsprechende Vorarbeit. Der Oldie wird auf jeden Fall davon profitieren, wenn er zum Beispiel die Rampe ins Auto bereits kennt und diese sicher bewältigen kann. Denn sind die Beine schon zittrig, wird es ihm ungleich schwerer fallen, sich mit der neuen Einstiegsmöglichkeit anzufreunden. Und einen 30-Kilo-Hund hebt auch nicht jeder von uns unbeschadet mehrfach täglich ins Auto und wieder heraus.

Kleine Hunde mögen es verständlicherweise oft gar nicht, wenn sie hochgehoben werden. Aber selbst das kann man (nett und vor allem hundegerecht!) üben und dem Zwergensenior damit später die eine oder andere Treppe ersparen, indem man ihn trägt. Das gilt im Übrigen für alle Arten von Hilfestellungen, die man seinem alten Hund leisten möchte oder muss: Manipulationen und Unterstützungsmöglichkeiten, die der Vierbeiner bereits in jüngeren Jahren kennengelernt hat, werden ihm im Alter wenig bis keine Probleme bereiten.

Früher schon an später denken.

Mit einem jungen, gesunden Hund fällt es schwer, den Nutzen dieser „Altersvorsorge“ im Sport und im alltäglichen Leben zu sehen. Die Jungspunde bespaßen sich und ihre Besitzer ganz selbstverständlich, im Sport geht es um die korrekte Ausführung und im Alltag sollte alles glatt laufen. Welche Schwierigkeiten mit einem alten und – sagen wir es ganz deutlich – gebrechlichen Hund auftauchen können, wird uns oft erst spät bewusst. Und dann kreisen die Gedanken nicht mehr um das, was dem Oldie Freude macht, sondern darum, wie man sein eigenes Leben mit dem Senior vernünftig organisiert bekommt.

Dabei ist nur wenig Aufwand nötig, um dem alten Hund einen abwechslungsreichen und lebenswerten Alltag bieten zu können. Und wenn wir unsere eigene Vorstellung von „Spaß“ außen vorlassen und uns stattdessen wirklich auf den Hund einlassen, wird es für alle Beteiligten zum Vergnügen. Grundsätzlich gilt das natürlich für jeden Hund in jedem Alter. Die jungen Wilden sind jedoch einfach deutlicher im Einfordern ihrer Bedürfnisse. Der Oldtimer, der die meiste Zeit irgendwo selig vor sich hin schlummert, gerät viel leichter in Vergessenheit.

Jeder, wie er mag.

Hat der Hundesenior das Lesen der Pinkel-Post zum Lieblingszeitvertreib erkoren oder gehört er zu den Mauseloch-Fetischisten, brauche ich als Besitzer einfach nur genug Zeit, um ihn gewähren zu lassen. Und Geduld – davon dann üppig. Habe ich einen rüstigen Hunde-Rentner bei mir, der bei gemeinsamen Aktivitäten aufblüht, muss ich diese nur an seine körperliche Verfassung anpassen und kann meinen Hund mit wenig Einsatz und etwas mehr Phantasie glücklich machen.

Und selbst, wenn „nicht mehr viel geht“ – irgendetwas geht immer. Auf dem Foto zu Beginn dieses Artikels ist meine erste Schäferhündin Connie in ihren letzten Lebenstagen zu sehen. Es war ein Schauspiel, wenn die olle Connerliese in die Wiese stapfte, sich dort umfallen ließ, und sich genüsslich und minutenlang mit ihrem heißgeliebten Ball im Gras wälzte. Dass sie früher in halsbrecherischem Tempo über ebendiese Wiese geflitzt war und nun kaum noch eine halbe Stunde laufen konnte, spielte keine Rolle mehr. Sie war glücklich. Und ich auch.