Die „Buchstabenkrankheiten“ – Teil 1: Hüftgelenksdysplasie (HD)
HD, ED, OCD, IPA und FCP – hinter diesem Buchstabensalat verbergen sich degenerative Erkrankungen der großen Gelenke beim Hund. Sie treten allesamt bereits im Wachstum auf oder sind durch Wachstumsstörungen bedingt. Auffallen werden sie jedoch häufig erst dann, wenn der Hund zu lahmen beginnt. Beim jungen Hund macht man sich beim ersten Auftreten einer Lahmheit meist kaum Gedanken und oft verschwindet diese nach ein paar Tagen auch von selbst. Zeigt ein junger Hund jedoch wiederkehrend Probleme im Gangbild, sollte eine gründliche Diagnostik stattfinden.
Wenn feststeht, welches Gelenk betroffen ist, wird meist ein Röntgenbild angefertigt. Doch hier lauert ein erster Stolperstein: In manchen Fällen reicht eine einzige Aufnahme nicht aus, um beispielsweise ein kleines Knochenfragment im Gelenk zu entdecken – dazu müssten mehrere Aufnahmen in verschiedenen Positionen (Ebenen) angefertigt werden. Knorpeldefekte lassen sich zudem auf einem Röntgenbild kaum nachweisen, eine vollständige Diagnostik ist auf diese Weise also gar nicht möglich. Im Zweifel ist der Hund in einer auf Orthopädie spezialisierten Praxis oder Klinik mit entsprechender Erfahrung und diagnostischen Möglichkeiten besser aufgehoben.
Hüftgelenksdysplasie (HD)
Hierbei dürfte es sich um die wohl bekannteste Form einer Dysplasie handeln. Das Krankheitsbild wird häufig mit dem Deutschen Schäferhund assoziiert – von der Hüftgelenksdysplasie sind jedoch leider etliche weitere Rassen und genauso Mischlinge betroffen. Die Problematik ist zudem nicht nur bei großwüchsigen Rassen ein Thema, sie tritt durchaus auch bei mittelgroßen Hunden und sogar bei Katzen auf. Inzwischen ist bekannt, dass HD vererbbar ist: Die Anlage zur Ausbildung eines gesunden oder dysplastischen Hüftgelenks ist in einem komplizierten Erbgang festgelegt.
Das bedeutet: Der Hund trägt die genetische Veranlagung in sich (oder auch nicht), leidet aber unter Umständen gar nicht selbst an Hüftgelenksdysplasie und kann diese Veranlagung trotzdem weitervererben. Nicht umsonst ist das Röntgen der Hüfte zur Zuchtzulassung in vielen Rasseverbänden Pflicht; es wäre zudem ratsam, nicht nur den Status des Individuums sondern auch den eines möglichst großen Teils der Verwandtschaft zu kennen.
Das Hüftgelenk ist als Kugelgelenk aufgebaut und wird von Hüftkopf und Pfanne gebildet. Im Idealfall fügt sich der runde Gelenkkopf perfekt in die als exaktes Gegenstück ausgebildete Gelenkpfanne ein. Beide Gelenkenden sind von einer glatten Knorpelschicht überzogen; diese ermöglicht einen – im wahrsten Sinne des Wortes – reibungslosen Bewegungsablauf des Gelenks und erfüllt zudem eine Stoßdämpferfunktion.
Stabilisiert wird das Hüftgelenk zum einen durch seine feste Gelenkkapsel, zum anderen durch den es umgebenden Bandapparat und eine gut ausgebildete Muskulatur. Ein angeboren gesundes Hüftgelenk lässt sich durch Fehler in der Aufzucht, Haltung und Fütterung nur sehr bedingt und in geringem Ausmaß „verschlechtern“ (massive Unterversorgung und Traumata außen vor gelassen). Eine gesunde Hüfte entsteht also nicht allein durch ideales Futter und/oder perfekte Haltungsbedingungen – sie ist genetisch vorprogrammiert.
Ist der Hüftkopf nicht rund ausgebildet, liegt er nicht tief genug in der Pfanne und ist diese zu flach modelliert, sprechen wir von einer dysplastischen Hüfte. Die Hüftgelenksdysplasie wird in unterschiedliche Schweregrade eingeteilt, dieser kann allerdings erst beim ausgewachsenen Hund am Ende der Wachstumsphase genau beurteilt werden. Eine bereits beim jungen Hund erkennbare Dysplasie wird sich jedoch nicht „verwachsen“ – die weitere Entwicklung lässt sich zwar nie exakt vorhersagen, aber eine fehlgebildete Hüfte ist durch äußere Faktoren kaum zu beeinflussen.
In erster Linie hängt der Schweregrad davon ab, wie stark die Inkongruenz (das Nichtzusammenpassen) zwischen Kopf und Pfanne ausgeprägt und wie stabil das Gelenk an sich ist. Instabilität und Inkongruenz führen im weiteren Verlauf zwangsläufig zu Arthrosebildung und diese wiederum zu Schmerzen. Allerdings zeigen längst nicht alle Hunde mit bekannter Hüftdysplasie gleichermaßen Schmerzanzeichen. Der röntgenologische Befund ist stets nur ein Anhaltspunkt, viel wichtiger ist, wie es dem Hund mit dem Befund tatsächlich geht.
Ein Hund mit diagnostizierter leichter HD kann deutlich unter Schmerzen leiden, andere haben einen signifikant schlechteren Befund und zeigen sich im Alltag trotzdem nahezu unauffällig. Hier darf also nicht der Röntgenbefund im Vordergrund stehen – es sollte auf das Befinden des Hundes eingegangen werden. Zudem ist es ratsam, eine bereits bekannte Hüftdysplasie im Laufe des Hundelebens immer wieder einmal einer Statusprüfung zu unterziehen, um Belastung und Alltag darauf abstimmen zu können. Und: Als Besitzer muss ich immer ein wachsames Auge auf mögliche Anzeichen von Schmerzen haben!