Adopt? Or shop? (Teil 1)

Wann immer ich mich auf Social Media mit dem Spruch „Adopt, don’t shop!“ konfrontiert sehe, hole ich tief Luft und setze mich auf meine Finger. Damit ich keinen Roman schreibe, denn ich hätte zu dieser doch recht einseitigen Sichtweise eine Menge zu sagen. Deshalb wird dieser Artikel in zwei Teilen erscheinen – das Thema ist in meinen Augen sehr komplex.
Der erste Teil des Artikels widmet sich dem Hund vom Züchter (und dem, was fälschlicherweise als solcher bezeichnet wird).
Der zweite Teil wird dann dem Second-hand-Hund und Hunden aus dem Tierschutz gewidmet sein. 

Photos by Guven Gunes and Karel Van der Auwera on Unsplash

„Züchter“ – Qualitätsmerkmal oder Schimpfwort?

Von so manchem selbsternannten Tierschützer werden Züchter gern als „Hundevermehrer“ bezeichnet – ohne jegliche Differenzierung. Dass ein guter Züchter viel Zeit, Geld und Herzblut in die eigene Fortbildung, Auswahl der Zuchtpartner, Aufzucht der Welpen und Aufnahme von „Rückläufern“ steckt, ist vielen offenbar nicht bewusst. Ich spreche hier explizit NICHT von verabscheuungswürdigen Hundehändlern, die ihre Welpen von ausgemergelten Hündinnen in Scheunen und Kellern produzieren lassen, um die Kleinen dann möglichst gewinnbringend an den Nächstbesten zu verhökern! Welpenhandel und Puppy Mills sind ein ganz eigenes Thema und definitiv widerwärtig, darum geht es hier aber nicht.

Die Bezeichnung Züchter kommt für mich nur dann infrage, wenn die Elterntiere sorgfältig ausgewählt wurden und mindestens (!) über alle vom jeweiligen Zuchtverband vorgeschriebenen Untersuchungen verfügen. Ich persönlich würde einen Welpen aus Eltern bevorzugen, die darüber hinaus auf alle bei der Rasse vorkommenden Erkrankungen getestet und untersucht wurden (soweit Tests vorhanden bzw. möglich sind). Im Idealfall ist auch über deren weiter zurückliegende Verwandtschaft möglichst viel bekannt in puncto Gesundheit und Wesen. Das Ganze bitte nicht als mündliches und hochheiliges Versprechen, sondern schwarz auf weiß. Ein seriöser Züchter hat damit nicht nur gar kein Problem – diese Ergebnisse werden selbstverständlich gern hergezeigt.

 

Sogenannte Hobbyzüchter

Hundezucht IST in der Regel ein Hobby, und zwar eines, das jede Menge Geld und Zeit kostet. Der Ausdruck „Hobbyzüchter“ wird häufig dann verwendet, wenn man sich irgendwie abgrenzen und zum Ausdruck bringen will, dass hier aus reiner Liebe zum Hund gehandelt wird. Leider geht diese Liebe meist nicht so weit, dass die beteiligten Hunde im Vorfeld kritisch unter die Lupe genommen werden, was Wesen und Gesundheit betrifft. Geworben wird gern mit „gesunden“ Elterntieren, für die keine einzige Untersuchung nachgewiesen werden kann und auch nicht muss, weil der Hund ja „noch nie krank war“. Das ist keine verantwortungsvolle Hundezucht – ganz gleich, ob da Rassehunde oder Mischlinge verpaart werden.

Natürlich gibt es auch „Züchter“, die sich in (zum Teil fragwürdigen) Zuchtverbänden organisieren, nur minimalistische Vorsorgeuntersuchungen bei ihren Deckpartnern durchführen lassen und Probleme totschweigen oder unter den Teppich kehren. Diese schwarzen Schafe (deshalb die Anführungszeichen) lassen sich mit einer gründlichen Recherche VOR dem Welpenkauf im Regelfall aussortieren. Zugegeben: Dazu bedarf es mitunter einiges an Hintergrundwissen und Kontakte. Für Menschen, die sich das erste Mal mit dem Kauf eines Welpen befassen, ist das ein weites und sehr unübersichtliches Feld. Fakt ist aber auch, dass genau an dieser Stelle die Weichen für ein etwa 12- bis 15-jähriges Zusammenleben gestellt werden, der Aufwand lohnt sich also.

Drum prüfe, wer sich ewig bindet.

Der Vergleich von Ahnentafeln, das Wissen um rassebedingte Erkrankungen, gezieltes Nachfragen bei potentiellen Züchtern – das nimmt in etwa dieselbe Zeit in Anspruch, wie das Aussuchen und Konfigurieren eines Neuwagens, der Preisvergleich bei verschiedenen Autohändlern und das Warten auf die Lieferung des neuen Fahrzeugs. Das dann allerdings in der Garage steht und nicht täglich 24 Stunden für 365 Tage im Jahr mit uns im Haushalt zusammenlebt. Wem der Auto-Vergleich zu sehr hinkt: Die Beziehung zu einem Hund ist kein One-night Stand, sondern eine Verbindung für ein ganzes Hundeleben – sein ganzes Leben hängt daran.

Hinzu kommt, dass der Hund ja nun auch mit allen anderen im Haushalt lebenden Personen und Tieren kompatibel sein sollte. Ein seriöser Züchter wird daher schon bei der Auswahl des Welpen gezielt eingreifen oder womöglich ganz von der ins Auge gefassten Rasse abraten. Denn auch, wenn ihnen das immer wieder abgesprochen wird: Die wirklich guten Züchter hängen an ihren Welpen und wollen diese so ideal wie nur irgend möglich platziert wissen. Deshalb werden sie spezialisierte oder anspruchsvolle Rassen auch nicht an jeden Interessenten abgeben – Schweißhund oder Malinois beispielsweise werden als reine Familien- und Begleithunde ohne Job eher nicht glücklich und auch niemanden glücklich machen (Ausnahmen können die Regel bestätigen).

 

Rasse für den (guten) Zweck

Ein schwerwiegendes Argument pro Rassehund vom Züchter liegt auf der Hand: Wenn ich einen Hund mit bestimmten Eigenschaften haben möchte, weil ich diesen für eine spezielle Aufgabe ausbilden will. Hier ist die Chance einfach höher, einen Hund zu erhalten, der die gewünschten Eigenschaften auch mitbringt, weil diese Hunde über Jahrzehnte oder länger genau darauf selektiert wurden. Selbstverständlich kann auch ein Straßenhund ein überragendes Talent beim Agility oder in der Nasenarbeit aufweisen! Die Wahrscheinlichkeit, dass ich mir genau dieses Exemplar herausgefischt habe, ist jedoch nur bedingt absehbar. Bin ich zudem auf die Eignung des Hundes für einen klar definierten Job angewiesen, wird das zum Glücksspiel.

Natürlich gibt es auch beim Rassehund keine Garantie auf gewünschte Eigenschaften. Aber die mitgebrachten Wesensmerkmale sind bei einem Rassehund vom Züchter (Definition siehe oben!) einfach eher absehbar, schon bei der Auswahl des Welpen. Nicht zuletzt muss auch der reine „Familienhund“ über gewisse Eigenschaften verfügen, um als solcher geeignet zu sein. Gerade hier möchte ich einen wesensfesten und gesunden Hund sehen, der in diesem Umfeld nicht nur irgendwie klarkommt, sondern sich wohlfühlt. Auch bei Menschen, die das erste Mal im Leben einen Hund haben, wahrscheinlich über wenig praktische Erfahrung im Umgang mit Hunden verfügen und Therapiearbeit nicht leisten können. Ja, die gibt es auch im Tierschutz – aber das sind echte Glücksgriffe.

Die „überzüchteten“ Rassehunde

Dass die Rassehundezucht echte Vollkatastrophen hervorbringen kann, steht außer Frage – einige Platzierungen auf der kürzlich zu Ende gegangenen, weltweit größten Hundeausstellung Crufts sind ein schreckliches, aber anschauliches Beispiel dafür: Die zum Teil völlig ins Groteske verzüchteten körperlichen Merkmale sind ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich ernsthaft um die Zucht gesunder Rassehunde bemühen. Für die betroffenen Hunde bleibt nur zu hoffen, dass ihre körperlichen Gebrechen (um nichts anderes handelt es sich!) immer adäquat versorgt werden und sie dank immensem tierärztlichen Engagement (und das wird nötig sein!) ohne allzu großes Leid durchs Leben kommen.

Wer jetzt aber denkt, Mischlinge (darunter fallen übrigens auch die ganzen Doodle-Versionen) seien gesünder, der irrt leider. Letztlich ist auch ein Mix die Summe seines Erbgutes und man kann einfach nur hoffen, dass keine Krankheiten vererbt wurden. Mischlinge werden schlichtweg häufig deshalb als vermeintlich gesund wahrgenommen, weil sie selten (oder gar nicht) auf erbliche Erkrankungen untersucht werden. Wird beispielsweise der Rassehund auf Hüftgelenksdysplasie geröntgt, habe ich ein greifbares Ergebnis. Fällt dieses schlecht aus, führt das beim verantwortungsvollen Züchter dazu, dass dieser Hund nicht in der Zucht eingesetzt und gegebenenfalls auch seine Ahnenreihe noch einmal genauer durchleuchtet wird.

 

Kein Wunder also, wenn angesichts der Missstände in der Rassehundezucht „Adopt, don’t shop!“ gerufen wird. Dass das zu kurz gedacht ist, sollte aus diesem Artikel bereits hervorgegangen sein. Weshalb jedoch auch die Übernahme eines Hundes aus dem Tierschutz problematisch sein oder werden kann, wird in Teil 2 erläutert.